Jeder Kampf war ein Kampf gegen mich selbst

IdS hat Post bekommen. Ein Profiboxer aus den 1970ern berichtet von seinem Leben nach der Karriere.

von Hans-Wilhelm Ermen

Lieber Knud Kohr,

bereits vor einigen Monaten hat mir meine Schwester Ilse, die lebt in Basel, Ihre Seite empfohlen und gemeint, ich möge Sie doch mal anschreiben, weil wir sicher eine gemeinsame Ebene hätten, auf der noch einige Gedanken oder Ideen auszutauschen wären. Diese Notiz "Knud Kohr anschreiben", liegt jetzt schon lange auf meinem Schreibtisch, hat mich jeden Tag angeschaut, doch weil ich die ganze Zeit der Meinung war, dass es für mich zunächst noch wichtigere Dinge zu tun gäbe, hat es halt bis heute gedauert. Dafür aber jetzt!

Hans-Wilhelm Ermen
Hans-Wilhelm Ermen

Zunächst einmal finde ich es sehr bemerkenswert, dass sich Menschen wie Sie und Ihre KollegInnen die Mühe machen, abseits vom Hauptstrom interessante und nicht alltägliche Informationen rund um den Profiboxsport zusammentragen und ohne finanzielle Interessen über das Internet einem interessierten Leserkreis zugänglich machen. Ihren sehr vielseitigen Rundbrief habe ich übrigens schon länger abonniert und lese ihn stets mit großem Interesse.

Profiboxen war für mich fast zwanzig Jahre lang eine Art Weltanschauung. Doch davon habe ich mich, jedenfalls was die Weltanschauung anbelangt, auch mindestens schon genauso lange wieder freigemacht. Irgendwann, nach so etwa 35 Jahren, mochte ich dann auch das Fachblatt "Boxsport", bzw. diese Mischung aus Praline und Sport Bild, die davon übrig geblieben ist, nicht mehr lesen. Relativ selten fahre ich noch durch die Gegend um mir einen Kampf vor Ort anzusehen. Ich glaube, ich war zuletzt vor etwa einem Jahr in Düsseldorf bei einem Kampfabend. Das war mal anders, denn ich bin zwischen Kiel und München an vielen Orten gewesen und habe mir einige hundert Boxkämpfe angeschaut. Höhepunkte waren sicher die von Muhammad Ali, den ich in Frankfurt gegen Karl Mildenberger, in Zürich gegen Jürgen Blin und in München gegen Richard Dunn gesehen habe. Nach wie vor bin ich Mitglied im kleinsten deutschen Sportverband, dem Bund Deutscher Berufsboxer. Im nächsten Jahr bereits vierzig Jahre und wenn ich es mir recht überlege, können da gar nicht mehr so viele Leute sein, die schon vor mir dabei waren.

Mit Fernsehübertragungen von Boxveranstaltungen wird man ja inzwischen überschwemmt. Die zeichne ich mir hier und da auf und schaue sie mir dann frühestens ab dem Abspielen der Hymnen oder dem "Ring frei Runde eins" an. Da bleibt einem dann das ganze Brimborium, das sich vorher abspielt, erspart und ich brauch mich darüber auch nicht zu ärgern. Es ist schon erstaunlich wie das öffentlich-rechtliche Fernsehen, das dem Profiboxsport jahrzehntelang mit unglaublicher Arroganz die kalte Schulter gezeigt hat, dann, nachdem die "Privaten" vorgemacht haben, wie sich damit Rekordquoten erzielen lassen, auf den fahrenden Zug aufgesprungen ist. Leider ist dabei aus einer Sportübertragung eine Zirkusveranstaltung geworden, in deren Rahmen irgendwo zwischen Streichquartett und Opernsängern, Feuerwerk und Konfetti, Promis und Bodyguards auch noch geboxt wird.

Selbst habe ich übrigens zwölf Profikämpfe absolviert, von denen ich zehn verloren (waren auch Fehlurteile dabei) habe, bei zwei Unentschieden. Damit habe ich es immer hin in die "Hall of Shame" gebracht. Dass ich es nie geschafft habe, hat weder an Trainingsfleiß, Technik oder Taktik gelegen, sondern "einfach" an der Psyche. Die Nerven haben mir im entscheidenden Moment einen Strich durch die Rechnung gemacht. Ich habe einfach nicht an mich geglaubt und es trotzdem immer wieder versucht. Jeder Kampf war in erster Linie ein Kampf gegen mich selbst. Dennoch möchte ich keine dieser Erfahrungen missen.

Bereits während meiner aktiven Zeit, aber auch noch darüber hinaus, habe ich viel als Sparringspartner, Sekundant, vor allem aber als Trainer gearbeitet und zahlreiche Profis vor und während ihrer Kämpfe, auch um Deutsche- und Europameisterschaften, betreut.

Später habe ich dann als Fernsehjournalist für die Deutsche Welle (damals noch in Köln) gearbeitet und auch zahlreiche Boxkämpfe aufzeichnen lassen, um außereuropäische Fernsehanstalten damit zu versorgen. Das waren vor allem die ersten Sauerland-Veranstaltungen mit John Mugabi, Chisanda Mutti, Manfred Jassmann, Frank Wissenbach, Jose Varela, René Weller (unter anderem die EM Weller-Cusma) und vielen anderen mehr. Ein früher G.Rocchigiani- Kampf könnte auch dabei gewesen sein. Ich habe auch mal einen dreißigminütigen Dokumentarfilm ("Wer ist eigentlich Alfred Fries?") über einen alternden und erfolglosen Profiboxer auf eigene Kosten produziert. Der Film ist im NDR 3 gelaufen.

Vom Journalismus habe ich mich (nach 22 Jahren und ca. 1000 Fernsehbeiträgen), bis auf ganz sporadische Ausnahmen, schon einige Zeit verabschiedet, um endlich meinen Jugendtraum leben zu können. Ich bin vor neun Jahren Schauspieler geworden und möchte hier gerne noch einmal richtig durchstarten. Das ist allerdings schwerer als erwartet. Zwar habe ich inzwischen etwa siebzig kleine Film- und Fernsehrollen gespielt (die allererste war ein Sekundenauftritt in der "Bubi Scholz Story"), aber der so genannte große Durchbruch ist mir bisher noch nicht gelungen. Er wird aber nicht mehr lange auf sich warten lassen.

Da ich von der Schauspielerei noch nicht leben kann, habe ich inzwischen wieder anfangen müssen (14 Stunden die Woche), als Dipl. Sportlehrer zu arbeiten. Das ist mein ursprünglich gelernter Beruf. Seitdem gibt's an dieser Schule (freiwilligen) Boxunterricht. Es ist übrigens die einzige Schule in Deutschland, an der ein angestellter Lehrer während der normalen Unterrichtszeit Boxen unterrichtet.

Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Mittwochabend, darüber hinaus eine gute Zeit und verbleibe mit freundlichen Grüßen aus der Eifel

H-W. Ermen


Rudi, wie wars denn so?

Diesmal über: Regina Halmich vs. Hagar Schmoulefeld Finer. In ihrem letzten Kampf siegte Halmich knapp nach Punkten.

von Rudi und Knud Kohr

Rudi Kohr
Rudi Kohr

Das Telefon klingelt diesmal am 14.12. gegen 19 Uhr

RK: Nabend, Jung!

KK: Du klingst ein bisschen gehetzt, Rudi. Was ist los?

RK: Ich bau gerade ein Weihnachtsgeschenk für den Kleinen von deiner Schwester. Und da muss ich gleich noch in den Baumarkt.

KK: Dann lass uns schnell machen. Regina Halmichs letzter Kampf - wie fandest du den?

Liebe Ari! Und hier bitte das neue RudiJPG. Das andere Foto, das AutorenfotoRudiJpg, bitte in die Rubrik "Mitarbeiter" setzen.

RK: Gut fand ich den. Und mutig, dass sie sich so eine starke Gegnerin geholt hat.

KK: Obwohl der Kampfrekord von Finer gar nicht so gut war. Vier Niederlagen immerhin dabei. Warum hatte Halmich da solche Schwierigkeiten?

RK: Die waren sich zu ähnlich im Stil. Beide immer auf dem Weg nach vorne, beide schlagstark. Die technisch starken Gegnerinnen hat Halmich immer mit ihrer Wucht überrollt. Aber Finer ist stehen geblieben und hat zurück geschlagen. Ein Wunder, dass der Kampf über die Runden gegangen ist!

KK: Halmich hat das bestritten, aber ich glaube, sie war in der neunten Runde fast KO.

RK: Aber hallo! Da hat noch ein Schlag gefehlt. Aber da hat sie eben geklammert. Mit so was rettest du dich in die Pause, wenn du die Erfahrung hast.

KK: Rudi, im Gegensatz zu vielen anderen aus deiner Generation warst du nie ein Feind des Frauenboxens. Gibt es irgendeine Szene in der Karriere von Regina Halmich, die dich besonders beeindruckt hat?

RK: Als sie von dieser Amerikanerin Elena Reid den Arsch voll bekommen hat. Da haben die Punktrichter ihr das Unentschieden geschenkt, und das wussten auch alle in der Halle. Da hat sie gleich im Ring einen Rückkampf angeboten. Fand ich toll.

KK: Für das breite Publikum ist Halmich durch den ersten Kampf gegen Stefan Raab bekannt geworden…

RK: Plünnkram war das, Blödsinn. Da hat sie doch gar nicht richtig zugeschlagen gegen den Idioten! Was meinst du, wie der aussieht, wenn Halmich ernst macht.

KK: Lass uns über die Nachfolge reden. Welche Boxerin in Deutschland kann Halmich beerben? Susianna Kentikian hat ihren Gürtel schon erkämpft.

RK: Ja, aber an die glaube ich nicht. Die hat ihren Stil, so wie der junge Mike Tyson, und den wird sie nicht mehr ändern. Und ob sie auf Dauer immer alle umhauen kann, die man ihr hinstellt?

KK: Die Nachfolgerin muss stilistisch besser sein?

RK: Genau. Deswegen ist es ja auch gut, dass Halmich aufgehört hat. In den letzten Jahren hat sie sich selbst nicht mehr entwickelt, aber das Frauenboxen ist immer besser geworden. Irgendwann hätte eine sie umgehauen. So eine von den Neuen, wie Alesia Graf oder Ina Menzer.

KK: Ist das Frauenboxen jetzt technisch so gut wie das der Männer? Oder was fehlt noch?

RK: Technisch sind die fast schon besser. Aber die Schlaghärte fehlt noch ein bisschen. Die kriegt man am Sandsack. Serien mit der Schlaghand. Und immer kurz vor dem Einschlag die Faust um ein Viertel drehen. Aber das ist mühsam. Und weh tut das auch.

KK: Rudi,…

RK: Ne, Jung, jetzt ist Schluss. Der Baumarkt macht gleich zu!

KK: Na, gut. Was kriegt der Kleine eigentlich?

RK: Das werd ich dir grad erzählen. Du stellst das ins Internet, und wenn ich Pech habe, dann liest der Kleine das einen Tag vor der Bescherung!


Leser des Monats

Kein Zweifel diesmal und keine Diskussion: Hans-Wilhelm Ermen heißt unser Mann des Monats! Und statt eines Preises bekommt er von IdS die Mitarbeit angetragen. Mehr darüber in einer der nächsten Ausgaben.


IdS zeigt alles!

Ein Jahr IdS Online! Der Herausgeber zeigt Ihnen einige Daten aus der Webstatistik von Dezember 2006 bis Dezember 2007

Nach 19 Monaten Vorlauf als bescheidener Newsletter ging IdS am 7.12.2006 online. In diesem ersten Jahr verzeichneten wir 16174 Aufrufe. Ihr Herausgeber hat wenig Ahnung vom www, hört aber immer mal wieder, dass das bemerkenswert viel sei für eine Non-Profit-Seite zu einem Orchideenthema. Leser aus 22 Ländern haben mittlerweile bei uns reingeschaut. Nach den Deutschen waren die Schweizer am eifrigsten, aber auch in Neuseeland und der Ukraine, Indien und Guatelama wurde IdS angeklickt. Auf fast allen Kontinenten, die dieser Planet sein eigen nennt. Nur Afrika verweigert sich hartnäckig! Also, liebe Leser: Wenn sie einen eloquenten Ägypter kennen, oder jemanden aus dem boxbegeisterten Botswana: Geben Sie unsere Adresse weiter! Aber vor allem: Vielen Dank! Bleiben Sie uns gewogen!


Und jetzt: Werbung!

IdS bricht ein selbst gesetztes Tabu! Sie lesen nun eine Produktinformation!

Seit Beginn von IdS war eines klar: Niemals sich dem Großkapital an den Hals werfen! Niemals Werbung auf dieser Seite! Doch seit einigen Monaten erreichen uns Mails aus Pakistan. Und zwar von der Zil-e Huma Corporation (Pvt) Ltd., ihrem Chief Executive Ilyas Ahmet Bhatti und Pressechef Faisal Ahmet, die uns regelmäßig auf unumstößliche Fakten hinweisen: Die Zil-e Huma Corporation produziert und vertreibt Box-Equipment, das seinesgleichen sucht! Sie ist die Nummer eins in Pakistan! Verschickt zur Ansicht auch gern ihren Katalog!

Für die IdS-Redaktion ist klar: Wann immer einer von uns in Pakistan durch die Ringseile gehen wird, dann nur mit Produkten der Zil-e Huma Corporation! Und wenn Sie in mal in Pakistan sind, dann tun sie es uns bitte gleich! Wir fassen zusammen: Wenn Pakistan, dann Zil-e Huma.